Ulrich Conrady
Rechtsanwalt
Fachanwalt für
Arbeitsrecht
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In gehobenen Positionen gehört es heute (fast) zum „Muss“, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Firmenfahrzeug (auch) zur privaten Nutzung zur Verfügung stellt und ihm an diesem ein Nutzungsrecht einräumt. Das Firmenfahrzeug ist nicht nur ein Statussymbol. Die in der Regel pauschale Versteuerung des geldwerten Vorteils nach der sogenannten 1%-Regelung ist für den Arbeitnehmer wirtschaftlich sehr vorteilhaft, weil der wirkliche Wert des Nutzungsrechts deutlich höher liegt. Beträgt der Bruttolistenneupreis des Firmenfahrzeugs z. B. 50.000,00 €, so wird in der Entgeltabrechnung ein geldwerter Vorteil von 500,00 € brutto berechnet. Bei großen Fahrzeugen sind das heute gerade einmal vier Tankfüllungen. Es wird nur dieser Betrag versteuert und verbeitragt, obwohl der wirtschaftliche Wert (= die Kosten, die der Arbeitnehmer durch Anschaffung und Unterhalt eines eigenen Fahrzeugs hätte und die bei einem Firmenfahrzeug der Arbeitgeber für ihn trägt) viel höher liegt, häufig bei mehr als dem Doppelten. An dieses wie ein Elefant im Steuerraum stehende sogenannte Dienstwagenprivileg geht aus politischen Gründen keine Bundesregierung ran.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat jedoch in einer jüngst veröffentlichten Entscheidung ein wenig Hand an das Nutzungsrecht gelegt (Urteil vom 12.02.2025, 5 AZR 171/24).
In dem zugrundeliegenden Fall hatte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit Kündigung vom 08.05.2023 betriebsbedingt zum Ablauf des 31.08.2023 wirksam gekündigt, den Arbeitnehmer mit sofortiger Wirkung von der Arbeitspflicht freigestellt und das Firmenfahrzeug mit sofortiger Wirkung entschädigungslos herausverlangt. Hierbei stützte sich der Arbeitgeber auf das im Arbeitsvertrag vorbehaltene Recht, das Nutzungsrecht bei einer im Zusammenhang mit einer Kündigung erfolgenden berechtigten Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung entschädigungslos zu widerrufen (Widerrufsklausel).
Das BAG hat die Widerrufsklausel für wirksam erachtet. Die Regelung sei transparent (der Arbeitnehmer wisse, was auf ihn zukomme) und auch inhaltlich angemessen, weil der Dienstwagen dienstlich und privat genutzt werde und während der Freistellung keine Dienstfahrten mehr anfielen.
Die Wirksamkeit des Widerrufsrechts bedeute jedoch nicht, dass der Arbeitgeber den Widerruf zu jedem beliebigen Zeitpunkt ausüben könne. Vielmehr müsse der Arbeitgeber bei der Ausübung des Widerrufsrechts Rücksicht auf die Interessen des Arbeitnehmers nehmen. Da der Arbeitnehmer auch bei einem Nutzungsrecht nur an einem Tag im Kalendermonat den vollen geldwerten Vorteil versteuern und verbeitragen müsse (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG), sei ein Widerruf des Nutzungsrechts regelmäßig nur zum Kalendermonatsende wirksam.
Im konkreten Fall hätte der Arbeitgeber das Nutzungsrecht nicht bereits ab dem Zugang der Kündigung am 08.05.2023, sondern erst zum 31.05.2023 widerrufen dürfen.
Aus diesem Grunde hatte der Arbeitnehmer Anspruch auf Schadensersatz für die Zeit vom 08.05.2023 bis 31.05.2023. Für den weit überwiegenden Teil der Kündigungsfrist (01.06.2023 bis 31.08.2023) hatte der Arbeitgeber das Nutzungsrecht jedoch wirksam und entschädigungslos widerrufen.
Für die Arbeitgeber bedeutet das Urteil des BAG, dass in die Arbeitsverträge/ Dienstwagenüberlassungsverträge ein (entschädigungsloses) Widerrufsrecht für den Fall einer wirksamen Freistellung nach Ausspruch einer Kündigung (Widerrufsklausel) aufgenommen werden kann und sollte. Diese muss allerdings flankiert sein durch eine weitere Klausel, die dem Arbeitgeber das Recht einräumt, den Arbeitnehmer im Fall einer Kündigung freizustellen (Freistellungsklausel).
In Betrieben mit Betriebsrat wird es regelmäßig eine Betriebsvereinbarung über die Nutzungsberechtigung/ Firmenfahrzeuge geben. In diesem Fall muss die Widerrufsklausel in diese Betriebsvereinbarung aufgenommen werden.
Zugleich gibt das BAG den Arbeitgebern vor, das Widerrufsrecht regelmäßig nicht mit sofortiger Wirkung, sondern erst zum Ablauf eines Kalendermonats auszuüben.