News

GulichDr. Joachim Gulich LL.M.
Rechtsanwalt und Notar
Fachanwalt für Vergaberecht
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Steuerrecht
Telefon: +49 (0) 531 28 20-605
Telefax: +49 (0) 531 28 20-695
gulich@appelhagen.de

Direktvergabe? – Kannst Du vergessen …!

Vergaberecht - 01.09.2025

Die öffentlichen Auftraggeber (Krankenkassen) beabsichtigten die Direktvergabe eines Auftrags für eine Plattform für dermatologische Telekonsultationen im Wege eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV. Über diese Plattform sollen die Versicherten über eine Applikation orts- und zeitunabhängig eine Anfrage an einen Dermatologen stellen können, der innerhalb von 48 Stunden eine fachärztliche Befundung samt Therapieempfehlung und gegebenenfalls eine Verordnung ausstellt.

Vor der Direktvergabe veröffentlichten die Auftraggeber eine EU-weite Ex-Ante-Transparenzbekanntmachung gemäß § 135 Abs. 3 GWB. Sie begründeten die Zulässigkeit des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb damit, dass aus technischen Gründen nur das für den Zuschlag vorgesehene Unternehmen diese Applikation liefern könne und somit kein Wettbewerb bestehe. Ein Wettbewerber stellte daraufhin einen Nachprüfungsantrag, da er sich selbst als potenziellen Bieter für den Auftrag sah.

§ 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV verlangt für die Zulässigkeit einer Direktvergabe, dass der öffentliche Auftraggeber anhand einer hinreichend dokumentierten Markterkundung nachweist, dass zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe objektiv nur ein bestimmtes Unternehmen den Auftrag ausführen kann.

Nach Auffassung der Vergabekammer des Bundes (VK Bund, Beschl. v. 28.01.2025 –VK 2-109/24) dürfen Auftraggeber nicht nur die aktuellen Marktverhältnisse in den Blick nehmen. Sie müssen in einer Prognose auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass alternative Anbieter durch Adaption oder Innovation ihrer bisherigen Produkte ihre Leistungsfähigkeit bis zum Zeitpunkt der eigentlichen Ausführung noch herstellen könnten. Um eine Direktvergabe wegen technischer Ausschließlichkeit begründen zu können, müssen sich die Auftraggeber demnach künftig auch mit Anbietern auf angrenzenden bzw. vor- oder nachgelagerten Märkten beschäftigen. Sie müssen diese ggf. in einem Marktdialog nach ihrer Fähigkeit und Bereitschaft konsultieren, um das gewünschte Produkt oder die Leistung innerhalb des Zeitraums bis zum Vertrags- bzw. Leistungsbeginn entwickeln oder herbeiführen zu können.

Klartext: Das macht ernsthaft niemand. Deshalb sind Direktvergaben wegen technischer Ausschließlichkeit im Oberschwellenbereich praktisch tot.